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Dot All 2022

Dot All 2022, die offizielle Craft CMS-Konferenz, fand vom 27. bis 29. September 2022 in Brooklyn, New York (USA), statt. Die Craft-Community kam zum ersten Mal seit drei Jahren wieder persönlich zusammen. Ich konnte nicht an den 11 Vorträgen und 2 Workshops teilnehmen, da die Reise nach Nordamerika für mich zu zeit- und kostenintensiv war.

Bedauerlicherweise war ich nicht der einzige, der von dem Angebot nicht gebraucht machte, denn es waren deutlich weniger Teilnehmer anwesend als in den vergangenen Jahren. Die Gründe dafür dürften vielfältig sein. Einerseits haben Konferenzen aktuell Probleme nach der langen Pandemie-Pause wieder genug Publikum anzusprechen. Andererseits ist Zeitaufwand- und Reisekosten in einem wirtschaftlich so schweren Jahr auch nicht zu verachten. Manch einer dürfte auch etwas enttäuscht gewesen sein, dass das Programm reduziert wurde, so wurden 2018 und 2019 etwa noch 3 Workshops und über 18 Vorträge angeboten. Vielleicht fehlte auch besseres Marketing im Vorfeld, um mehr Leute aus der Zielgruppe anzusprechen.

Eine kleinere Konferenz ist jedoch ideal, um neue Leute kennenzulernen oder alte Kontakte wieder zu knüpfen. Eine der größten Stärken von Craft ist die Gemeinschaft, und es ist wunderbar zu sehen, wie echte Freundschaften über die Jahre gewachsen sind. Einige der Teilnehmer kennen sich seit den Anfangstagen von ExpressionEngine. So schön ein solches "Klassentreffen" jedoch ist, war es offensichtlich, dass die jüngere Generation etwas fehlte.

Da viele junge Entwickler heute zuerst JavaScript-Frameworks wie React oder Vue lernen, ist dies ein weitverbreitetes Problem in der PHP-Gemeinschaft: Der Umgang mit Content-Management-Systemen ist nicht aufregend genug, verglichen mit der Erstellung cooler JAMstack-Apps. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich Craft CMS durch besseres Marketing und Entwicklererfahrungen für dieses Publikum öffnen wird.

State of Craft

Eröffnet wurde die Veranstaltung traditionsgemäß von Brandon Kelly, der zunächst einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand von Craft CMS gab. Kelly begrüßte die Anwesenden und teilte mit, dass die Belegschaft von Pixel & Tonic auf 17 Mitarbeiter angewachsen sei. Es ist ermutigend zu sehen, dass das Unternehmen in letzter Zeit solche personellen Lücken zu verzeichnen hatte, nachdem es wichtige Mitarbeiter wie Andris Sevcenko und Matt Stein verloren hatte. Ivana Just aus dem Vereinigten Königreich wird noch in diesem Monat anfangen, während August Miller aus Portland und Brian Hanson aus Chicago ihre Arbeit im letzten Monat aufgenommen haben. Matt Stein wurde durch Brian ersetzt, der nun für Dokumentation und Lernsressourcen zuständig ist. Brian und Iwana konzentrieren sich auf die weitere Entwicklung von Craft CMS.

Leider gibt Pixel & Tonic keine genauen Zahlen mehr bekannt, auch wenn die Verkäufe, Gewinne und Einnahmen von Craft 4 weiter steigen. Auf der anderen Seite ist die Akzeptanz von Craft 4 sehr positiv. Craft 4 ist auf mehr als 60 % der neuen Installationen und 46 % der zuletzt aktualisierten Installationen installiert. Außerdem sind 87 % der Plug-ins mit jeweils über 1.000 Installationen für Craft 4 verfügbar. Daher kann die neueste Craft-Version mit den gängigsten Plug-ins verwendet werden.

Es folgte eine Zusammenfassung der wichtigen Features von Craft CMS 4, vom Condition Builder über Adressfeldtypen hin zur Barrierefreiheit. Bezüglich Barrierefreiheit sei man auf dem besten Weg, die WCAG AA 2.1 zu erreichen. So hat Lupe Camacho - Accessibility Ingenieurin bei Pixel & Tonic – eine umfassende Prüfung durchgeführt und über 500 Probleme gefunden, die behoben werden mussten.

Die kommende Version von Craft 4.3 wird die Benutzeroberfläche des Elementindex und die Zugänglichkeit verbessern. Zum Beispiel wird eine Ansicht hinzugefügt, die es Autoren erlaubt, die sichtbaren Tabellenspalten zu ändern.

Zusätzlich wird Pixel & Tonic ein neues Shopify-Plug-in veröffentlichen, das Shopify-Produkte als Elemente in Craft synchronisiert, komplett mit benutzerdefinierten Feldern und Beziehungen. Eine ausgezeichnete Wahl, denn Shopify ist ein angesehenes Unternehmen, und mit einer guten Verbindung zu Craft können neue Kundengruppen angesprochen werden.

Craft Console

Craft Console, ein Ersatz für die Kundenplattform Craft ID, wurde auf der Digital Dot All 2021 angekündigt. Was wir damals sahen, waren nur Figma-Komponenten, aber inzwischen ist es ein echtes Produkt, das immer noch für die Veröffentlichung Ende 2022 geplant ist. Craft Console wird es ermöglichen, Craft CMS- und Plug-in-Lizenzen, Plug-in-Store-Einträge und Partnerprofile über Organisationen zu verwalten. Die Organisationen sollen denen von GitHub ähneln, sodass eine Organisation eine Gruppe von mehreren individuellen Konten ist.

Craft Cloud

Craft Cloud wurde erstmals auf der Dot All 2019 angekündigt und sollte ursprünglich ein headless-Craft-Service sein, der 2020 eingeführt werden sollte. Leider wurde dieses Produkt an der Community vorbeientwickelt, die nach seiner Vorstellung Kritik äußerte. Pixel & Tonic nahm dies zur Kenntnis und ging zurück in die Konzeptphase, um einen Neustart durchzuführen. Anstatt auf Headless Craft beschränkt zu sein, wird Craft Cloud ein einheitlicher Dienst für Headless- und Hybrid-Craft-Sites sein.

Zu den neuen Funktionen gehören:

  • Automatische Composer/npm-Builds
  • Integrierte Protokollierung, Bildtransformation und Asset-Speicherung
  • Entwicklungsumgebungen auf der Grundlage von Git-Branches
  • Zwischenspeicherung statischer Seiten, globales CDN, integrierte SSL-Zertifikate sowie Firewall- und DDoS-Schutz via Cloudflare
  • Weltweite Verfügbarkeit wird durch AWS Global Accelerator erweitert. Der Netzwerkservice AWS Global Accelerator, verbessert die Leistung des Datenverkehrs um bis zu 60 %, indem er die globale Netzwerkinfrastruktur von Amazon Web Services nutzt

Craft Cloud soll im Laufe des Jahres 2023 starten.

Craft 5

Die finale Fassung von Craft 5 ist für das 4. Quartal 2023 geplant, aber auf welche Neuerungen können wir uns gefasst machen? Aufgrund dessen, dass die Entwicklung an dem 5er-Release erst in jüngster Vergangenheit begann, konnte Brandon Kelly mehr Ideen und Konzepte präsentieren, anstatt aussagekräftige Demos.

Interessant war jedoch der geschichtliche Rückblick:

  • Vor 11 Jahren begannen Bran­don Kelly und Brad Bell mit den Arbeiten ­an Craft CMS. Zu dieser Zeit galt ExpressionEngine als eines der besten CMS für Content Modeling/Content Authoring.
  • Juni 2013: Veröffentlichung von Craft CMS 1.0 mit wichtigen Funktionen wie Elementtypen-API, Live-Vorschau, benutzerdefinierte Felder, Einträge und Globale Inhalte
  • Juli 2013: Craft 1.1 brachte einen neuen Installer, Tags, Unterstützung von Multi-Environment und Verbesserungen bei der Assetsverwaltung mit
  • September 2013: Der Release von Craft 1.2 führte die Sektionstypen Strukturen und Einzeleinträge ein. Zusätzlichen wurden Eintragstypen ins CMS integriert.
  • November 2013: Craft 1.3, mit der Matrix wurden selbst definierbare Inhaltsblöcke in den Core integriert. Das war der Punkt, ab dem ich Craft für Kundenprojekte einsetzen konnte.

    Seit Craft CMS 2.0 hat sich Pixel & Tonic auf die Verbesserung von Autorenerfahrung (AX) und Entwicklererfahrung (DX) konzentriert. Die Inhaltsmodellierung blieb außen vor und genau das ändert sich mit Craft 5.

Folgende größere Neuerungen wurden angekündigt:

  • Einträge überall: Kategorien, Tags und globale Inhalte werden alles Einträge
  • Einheitliche Inhaltsansicht: eine neue Art der Organisation aller Website-Inhalte. Im Menü werden Einträge durch Inhalt ersetzt und die verschiedenen Sektionen in einer Art Baumstruktur angezeigt.
  • Mehrere Autoren von Einträgen: Einträge sind nicht mehr länger auf einen einzigen beschränkt.
  • Entkoppelte Eintragstypen: Die Eintragstypen werden unabhängig und sind nicht mehr fest mit einer Sektion verbunden. Stattdessen können die Sektionen werden wählen, welche Eintragstypen ihnen zur Verfügung stehen
  • Portierbarkeit von Einträgen: Einträge können künftig in andere Sektionen verschoben werden, falls diese denselben Eintragstyp zulassen
  • Geplante Entwürfe und Freigaben: Entwürfe können einem zukünftigen Datum zugeordnet werden. Auch können mehrere Entwürfe zu in einer "Freigabe" zusammengefasst werden
  • Inception Felder: Endlich können verschachtelte Einträge ohne Grenzen erstellt werden.

Fazit

Die Dot All 2022-Konferenz war ein Erfolg. Etwas kleiner als sonst, aber wieder einmal hervorragend organisiert, wie die Teilnehmer sagten. Ein Mitglied dieser Gemeinschaft zu sein, ist erfüllend. Zum Glück ist das Produkt ebenfalls ausgezeichnet.

Live Stream Access

Ich möchte die Tatsache loben, dass die Vorträge zum ersten Mal live übertragen wurden. Jeder, der das erforderliche Ticket im Wert von 299 Dollar bezahlt hat, konnte alles live sehen, auch wenn er nicht nach New York kommen wollte. Ich bin mir bewusst, dass das Streaming technisches Know-how erfordert und daher teuer ist. Aber ich denke, die 299 Dollar sind zu viel Geld. Ein Streaming-Ticket für die Beyond Tellerrand-Konferenz im April 2023 ist ebenfalls für nur 99 Euro erhältlich. Natürlich wäre dieser niedrige Preis perfekt für Dot All 2022 gewesen, aber auch eine Spanne von 149 bis 179 Euro wäre recht attraktiv gewesen. In etwa vier Wochen werden alle Vorträge auf Vimeo als Video verfügbar sein, für alle, die kein Geld investieren wollen.

Die Ankündigungen

Die Ankündigungen von Pixel & Tonic waren insgesamt gut. Allerdings waren Craft Cloud und Craft Console schon letztes Jahr, große Themen. Wir haben jetzt eine detailliertere Feature-Liste von Craft Cloud, die uns mehr Klarheit verschafft. Eine ausführliche Demo wäre wünschenswert gewesen. Aber dafür war der Dienst noch nicht bereit, obwohl craftcms.com jetzt damit läuft.

Dass sich in Craft 5 alles um die Modellierung von Inhalten drehen wird, ist eine hervorragende Nachricht. Im Jahr 2013 haben jedoch konkurrierende Systeme zu Craft aufgeholt oder es übertroffen. Statamic zum Beispiel hat allein in der Benutzeroberfläche einiges verbessert, und das Bard-Feld ist eine wichtige Bereicherung für das System. Verbb hat mit Vizy einen ähnlichen Ansatz verfolgt und ein großartiges Plug-in entwickelt, aber ich denke, dass der Kern von Craft noch verbessert werden muss.

Hut ab vor Pixel & Tonic, dass sie diesen Bereich nach all den Jahren in Angriff nehmen wollen, auch wenn klar wurde, dass sie sich vielleicht nur in einer Konzeptphase befinden. Die gezeigten Entwürfe wirkten noch sehr unfertig, und ich denke, dass sie zum Beispiel bei der einheitlichen Inhaltsansicht noch gar nicht wissen, wie sie all die auftretenden Probleme lösen werden. Als Beobachter habe ich mich gefragt, wie diese Ansicht beispielsweise aussehen würde, wenn man Hunderte oder Tausende von Beiträgen hat. Ist diese Ansicht die einzige Möglichkeit oder nur optional? Außerdem bin ich überzeugt, dass die fertige Benutzeroberfläche viel besser aussehen wird als der gezeigte Entwurf.

Matrix-in-Matrix

Matrix in Matrix wird im Prinzip seit Ende 2013 gefordert und war erst für Craft 3 eingeplant, sollte dann definitiv mit Craft 4.0 kommen, um es dann auf Craft 4.X zu verschieben. Jetzt wissen wir, dass diese Funktion erst mit Craft 5 Einzug halten wird und dann eben anders als gedacht, nämlich als neuer Feldtyp. Warum und weshalb hat Brandon Kelly ausführlich erklärt, da sie bislang keine Lösung für die Performance-Probleme hatten, die innerhalb einer verschachtelten Matrix entstehen können. Würde man eine komplexe verschachtelte Matrix auf einer Multi-Site mit zehn Sites verwenden, könnten mit über 2.700 Speicherungen gerechnet werden und das würde die Performance negativ beeinflussen. Deswegen näherten sie ich die letzten Jahre diesem Problem und brachten mit Craft 3.4 Delta-Saves in das System und seit 3.7 wurden diese sogar rekursiv gemacht. Craft 4 führte „Shared block custody“ ein, wodurch die Elemente bei Speicherung nicht mehr eine 1:1-Abbildung des Matrixblocks sind. Mit der Einführung des neuen Feldtypen in Craft 5, soll es dann keine Probleme mehr bei der Performance geben.

Wie sieht es aber mit der UI aus? Verschachtelte Felder werden als Karten angezeigt, wie schon das Adressfeld, was in Craft 4 integriert wurde. In diesem Zustand können die Inhalte nur gelesen werden, nach einem Klick lassen sich diese dann in einem Slide-Out-Pattern bearbeiten. Interessantes Konzept, aber auch hier warte ich auf eine Demo, die wirklich verschachtelte Felder zeigt und wie nutzbar das dann in der Realität sein wird.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich sinnvolle Neuerungen wie entkoppelte Eintragstypen, Portierbarkeit von Einträgen oder dass Kategorien und Co nun Einträge werden.

Wenn Craft 4 von außen wie ein Update von Craft 3S aussieht, ist Craft 5 offensichtlich ein riesiger Sprung nach vorn. Ich zweifle nicht daran, dass das Team von Pixel & Tonic mit einer verblüffenden Lösung für die Konzepte aufwarten wird. Wie sie zuletzt 2013 mit Craft 1.3 gezeigt haben. Nach zehn Jahren könnte Craft 5 die nächste große Änderung bei der Modellierung von Inhalten herbeiführen.

Foto von  Thomas Sausen<

Selbstständiger Webentwickler, der 2005 mit WordPress-Websites anfing, dann zu ExpressionEngine wechselte und 2013 sein Herz an Craft CMS verlor. Als Gründer von Craftentries, berichtet er seit 2015 über das Craft-Ökosystem.

Thomas Sausen Web Developer